Grenzidentität als Sicherheitsrisiko: Zur heutigen Erfassung von Grenzbewohner*innen in Kenia
Die Effekte kolonialer Grenzen wirken weiter. Im Zuge der Unabhängigkeit einigte sich die Afrikanische Union mehrheitlich auf den Erhalt der kolonialen Grenzziehungen – vor allem um territorialen Kriegen vorzubeugen. Trotzdem führen die kolonialen Grenzziehungen bis heute vielerorts zu Konflikten. Ein Beispiel ist der sogenannte „Shifta“-Krieg in Kenia in den 1960er Jahren. Die Somali-Bevölkerung wollte ihre Abspaltung von Kenia und eine Veränderung der kolonialen Grenzen bewirken, um sich dem Staat Somalia anzuschließen. Dies hatte ein Referendum während der britischen Kolonialzeit der Bevölkerung zwar zugesichert, war aber nie umgesetzt worden. Noch heute ist das Verhältnis zwischen dem kenianischen Staat und seiner Somali-Bevölkerung angespannt, was sich auch am erschwerten Zugang zu nationalen Identifikationsdokumenten zeigt.
Viele Grenzbewohner*innen besitzen heute zwei Pässe, um sich flexibel als Träger*innen beider Nationalitäten ausweisen zu können – auch wenn dies offiziell nicht überall erlaubt ist. In Kenia werden solche Praktiken mittlerweile als Sicherheitsrisiko eingestuft. Im Namen von Terrorismusprävention hat die Regierung spezielle ID-Prüfverfahren eingeführt, welche nicht nur die Somali, sondern auch andere Grenzbevölkerungen betreffen. Um einen nationalen Personalausweis zu erhalten, müssen alle Grenzbewohner*innen ab 18 Jahren vor einem Komitee gemeinsam mit Verwandten oder durch die Vorlage von Schulzeugnissen „beweisen“, kenianische Staatsbürger*innen zu sein.