Arbeitsmigration und erweiterte Netzwerke

Ab den 1960er Jahren warben einige europäische Länder wie auch die Bundesrepublik Deutschland Arbeiternehmer*innen aus Marokko an, um von deren niedrigeren Löhnen zu profitieren. Beabsichtigt war vor allem eine zirkuläre Arbeitsmigration, d.h. die damals weitgehend männlichen Arbeiter* verdienten vorübergehend Geld im Ausland und sollten – so der Plan der europäischen Regierungen – dann in ihre Heimatregionen zurückkehren. Das Ergebnis war jedoch eine starke kulturelle Prägung europäischer Städte durch Arbeitsmigration. Da Menschen eines Ursprungsortes oft in gleichen europäischen Städten arbeiteten, entstanden enge Migrationsnetzwerke. Diese Netzwerke wurden auch für den Handel mit Marokko genutzt. Melilla und Nador entwickelten sich in dieser Zeit zum wichtigsten Wirtschaftszentrum Nordost- Marokkos.

“Wir zogen 1963 nach Melilla. Dort gab es die besseren Schulen. In Marokko waren sie weit weg. Nicht die ganze Familie, nur einige von uns gingen nach Melilla. Andere sind in Marokko geblieben, wieder andere sind ins Ausland ausgewandert, hauptsächlich nach Deutschland. Viele meiner Onkel emigrierten in die Region Frankfurt. Ich war öfter zu Besuch in einem Dorf namens Raunheim. Ich kenne Rüsselsheim, Wiesbaden... Ich bin durch die ganze Region gereist.”
Khalid M.
Lehrer und Historiker in Melilla, 2019
„Melilla ist wirklich sehr klein. Zu klein für so viele Menschen, von denen viele studieren. Deshalb gehen gerade alle weg. Gerade mache ich viele Übersetzungen für Menschen, die nach Deutschland gehen. Krankenpfleger, Ärzte…“
Habiba A.
Übersetzerin in Melilla, 2019
"Ich habe viel mit Kleidung gearbeitet. Ich habe sie aus Dortmund, aus Frankreich und aus Spanien mitgebracht. Wir kamen an der Grenze zwischen Frankreich und Spanien an. Es war kein Visum erforderlich. Ich brachte sie zurück nach Melilla und von Melilla nach Casablanca. Die Regierung verlangte kein Visum. Ab 1971 verlangten sie dann ein Visum. Ich habe versucht, weiterzumachen, aber der Handel wurde zu teuer. Von 1972 an war es vorbei.“
Hach Abdelah B.
ehemaliger Händler, 2019